Kann ein Umzug nach Thailand absichtlich das Recht der Kinder auf Zwangsvererbung beseitigen?
Einführung
Das Pflichtteilsrecht im deutschen Erbrecht sichert den Kindern einen Mindestanteil am Vermögen ihrer Eltern, selbst wenn sie vom Testament ausgeschlossen sind. Einige Personen fragen sich, ob ein Umzug in ein Land mit einem anderen Erbrecht, wie Thailand, dazu beitragen kann, diese Verpflichtungen zu umgehen. Dieser Artikel geht der Frage nach, ob ein Umzug nach Thailand die Pflichtteilsansprüche nach deutschem Recht wirksam beseitigen kann und unter welchen Bedingungen das geltende Recht geändert werden kann.
Zwangserbschaft im deutschen Recht
Das deutsche Erbrecht sieht Pflichtteile für nahe Verwandte wie Kinder, Ehegatten und Eltern vor. Dieses Recht gilt unabhängig von den testamentarischen Verfügungen des Verstorbenen.
Nach deutschem Recht:
Der Pflichtteil beträgt 50 % des gesetzlichen Anteils, den der Erbe erhalten würde, wenn es kein Testament gäbe.
Das deutsche Erbrecht gilt in der Regel für alle deutschen Staatsangehörigen, unabhängig von ihrem Wohnsitz, es sei denn, es wird durch besondere Bestimmungen gesetzlich ausgeschlossen.
Thailändisches Erbrecht: Keine Zwangserbschaft
Anders als im deutschen Recht kann man im thailändischen Erbrecht frei entscheiden, wie man seinen Nachlass aufteilt. Es gibt keine Pflichtanteile für Kinder oder andere Erben. Dieser Unterschied macht das thailändische Recht für Personen interessant, die ihre Nachlassplanung selbst in die Hand nehmen wollen.
Kann ein deutscher Erblasser, der in Deutschland lebt, thailändisches Recht wählen?
Nein, ein deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in Deutschland kann nicht einfach thailändisches Recht für seinen Nachlass wählen. Gemäß Artikel 25 des deutschen Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) und der EU-Erbrechtsverordnung (650/2012) gilt standardmäßig deutsches Erbrecht.
Ein Erblasser kann jedoch das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts wählen, um seinen Nachlass zu regeln. Dazu muss der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Thailand nachweisen, was mehr als eine bloße Erklärung erfordert. Der gewöhnliche Aufenthalt wird durch die tatsächlichen Lebensumstände des Erblassers bestimmt.
Wann gilt Thailand als der gewöhnliche Aufenthaltsort des Erblassers?
Der gewöhnliche Aufenthalt bezieht sich auf den Ort, an dem sich der Lebensmittelpunkt einer Person befindet, und wird anhand verschiedener faktischer Kriterien beurteilt. Im Allgemeinen müssen die folgenden Bedingungen erfüllt sein, damit Thailand als gewöhnlicher Aufenthaltsort betrachtet werden kann:
Dauer des Aufenthalts:
In der Regel ist ein ununterbrochener Aufenthalt von mindestens sechs Monaten in Thailand erforderlich. Kurzfristige Abwesenheiten, wie Urlaube oder Familienbesuche im Ausland, unterbrechen die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht, wenn die Person nach Thailand als ihren Hauptwohnsitz zurückkehrt.
Integration in das lokale Leben:
Regelmäßige Teilnahme am thailändischen Gemeinschaftsleben, Anpassung an die örtlichen Gepflogenheiten und ggf. Erlernen der Sprache.
Aufrechterhaltung sozialer und wirtschaftlicher Bindungen vor allem in Thailand und nicht in Deutschland.
Hauptwohnsitz:
Eigentum oder langfristige Pacht einer Immobilie in Thailand, mit der klaren Absicht, sie zum Lebensmittelpunkt zu machen.
Trennen der Beziehungen zu Deutschland:
Eine Verringerung oder Beendigung starker Bindungen zu Deutschland, z. B. durch den Verkauf von Immobilien, die Beendigung beruflicher Verpflichtungen oder den Umzug von Familienmitgliedern nach Thailand.
Es ist wichtig zu beachten, dass der gewöhnliche Aufenthalt von Fall zu Fall beurteilt wird und dass die Absicht, dauerhaft in Thailand zu bleiben, durch Handlungen und nicht nur durch Erklärungen nachgewiesen werden muss.
Praktische Beschränkungen der Wahl des thailändischen Rechts
Selbst wenn das thailändische Recht erfolgreich angewendet wird, kann es zu Problemen kommen:
Vermögen in Deutschland: Die deutschen Gerichte können die Vorschriften über die Zwangsvererbung von in Deutschland belegenem Vermögen weiterhin anwenden, insbesondere wenn die Erben ihre Rechte geltend machen.
Gültigkeit der Rechtswahl: Wenn der Umzug nach Thailand nur zur Vermeidung von Zwangsversteigerungsansprüchen motiviert ist, könnte die Rechtswahl vor deutschen Gerichten angefochten werden.
Teilweise Nachlasskonflikte: Nachlassvermögen in Thailand kann dem thailändischen Recht unterliegen, während Nachlassvermögen in Deutschland weiterhin dem deutschen Erbrecht unterliegt, wodurch eine zersplitterte Rechtslage entsteht.
Schritte zur Änderung des anwendbaren Rechts
Sicherstellen, dass das thailändische Recht auf Ihren Nachlass Anwendung findet:
Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in Thailand: Dies erfordert eine echte Umsiedlung, einen Aufenthalt von mindestens sechs Monaten und die Integration in die thailändische Gesellschaft.
Verfassen Sie ein Testament: Legen Sie ausdrücklich fest, dass thailändisches Recht für Ihren Nachlass gelten soll. Das Testament muss sowohl den thailändischen Formalitäten als auch den Rechtswahlbestimmungen der EU-Erbrechtsverordnung entsprechen.
Professionelle Beratung: Ziehen Sie Rechtsexperten sowohl in Deutschland als auch in Thailand hinzu, um grenzüberschreitende Erbschaftsangelegenheiten zu klären.
Fallstudie: Ein deutscher Ruheständler in Thailand
Stellen Sie sich einen deutschen Rentner vor, der nach Thailand zieht, die meiste Zeit des Jahres dort verbringt und dies als seinen gewöhnlichen Aufenthalt angibt. Wenn er ein Testament verfasst, in dem er festlegt, dass sein Nachlass dem thailändischen Recht unterliegt, haben seine Kinder nach thailändischem Recht möglicherweise keinen Anspruch. Behält der Rentner jedoch beträchtliche Vermögenswerte in Deutschland, könnten die Kinder ihre Pflichtteilsrechte an diesen Vermögenswerten geltend machen, was zu Streitigkeiten führen könnte.
Schlussfolgerung
Ein Umzug nach Thailand kann zwar mehr Flexibilität bei der Nachlassplanung bieten, beseitigt aber nicht automatisch die Zwangsvererbungsrechte der Kinder nach deutschem Recht.
Die erfolgreiche Anwendung des thailändischen Rechts erfordert einen echten Umzug, die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts (in der Regel sechs Monate oder länger) und sorgfältig abgefasste Rechtsdokumente. Darüber hinaus unterliegt das Vermögen in Deutschland weiterhin dem deutschen Recht, so dass Zwangsvererbungsansprüche bestehen bleiben können.
Um Rechtskonflikte zu vermeiden, sollten Einzelpersonen erfahrene Anwälte konsultieren, die mit dem grenzüberschreitenden Erbrecht vertraut sind, um sicherzustellen, dass ihre Ziele bei der Nachlassplanung ohne unbeabsichtigte Folgen erreicht werden.